Teilnehmende der Konsultation der evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern (Oberkirchenrat Michael Martin 3. von links) und Brasilien bei einem Ausflug an den Chiemsee

Wie geht es weiter mit unseren Kirchen? Dieses Thema beschäftigte bayerische und brasilianische Kirchenvertreter:innen bei einer Konsultation im Labenbachhof.

Bild: ELKB

Bayerisch-brasilianische Konsultation

Ein weiter Horizont

Wie sieht die Zukunft unserer Kirchen aus? Unter diesem Thema trafen sich Mitglieder der Landeskirche und der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) unter Leitung von Oberkirchenrat Michael Martin und Kirchenpräsidentin Silvia Genz zu einer mehrtägige Konsultation.

Die Vertreter der brasilianischen Lutheraner berichteten, dass die IECLB derzeit scharfen Angriffen in den sozialen Medien ausgesetzt ist, wenn sie sich für Menschen am Rande der Gesellschaft einsetzt und damit auf die Ausgrenzungsmechanismen in der Gesellschaft aufmerksam macht. „Es ist ein ideologischer Krieg, der in unserem Land stattfindet“ sagte Marcos Bechert, Generalsekretär der IELCB. Bayern-evangelisch.de befragte Oberkirchenrat Michael Martin zu den Ergebnissen der Konsultation und zu der Partnerschaft mit der IELCB.

Herr Oberkirchenrat Martin, was war das Ziel dieser Konsultation?

Michael Martin: Nachdem wir uns letztes Jahr nur virtuell austauschen konnten und dabei vor allem die Auswirkungen der Pandemie thematisiert wurden, haben die beiden Kirchenleitungen sich jetzt wieder in Präsenz treffen können. Ziel war und ist die vereinbarte Kirchenpartnerschaft mit Leben zu füllen.
Dabei ging es um ganz praktische Fragen wie den Austausch von Pfarrer/innen und Freiwilligen, Bewerbungen von Pfarrer/innen aus Brasilien in Bayern oder Fragen nach der theologischen Ausbildung, weil in beiden Kirchen in den nächsten Jahren ein Mangel an Pfarrer/innen zu erwarten ist.
Vor allem aber haben wir diesmal „Zukunftsperspektiven unserer Kirchen“ thematisiert. Dabei ging es um die Herausforderungen des Klimawandels genau so, wie um die Frage nach verschiedenen Formen von Gemeinden oder die Kommunikation des Evangeliums dort, wo Menschen sich versammeln. Wie können wir unserem Auftrag, das Evangelium ins Gespräch zu bringen, angesichts unserer beiden verschiedenen Kontexte gerecht werden?

Was ist das Besondere an der Partnerschaft zwischen der brasilianischen Kirche und der bayerischen Landeskirche?

Michael Martin: Seit den 80er Jahren gibt es diese Partnerschaftsbeziehungen. Vielfältiger Personalaustausch, vom Freiwilligenprogramm bis zu Theologiestudierenden, ist der Schwerpunkt der Partnerschaft. Dabei ist ganz besonders, dass jeweils für 4 Jahre drei Pfarrer/innen aus Brasilien auf regulären Stellen der ELKB eingesetzt werden und auch in Brasilien Stellen für bayerische Pfarrer/innen zur Verfügung stehen.

Welche Themen beschäftigen die beiden Kirchen derzeit besonders?

Michael Martin: Wie geht es weiter mit unseren Kirchen? Welche Ideen gibt es, im jeweiligen Kontext Kirche Jesu Christi zu sein?

Bei der Konsultation wurden Ideen wie die MUT-Projekte, aber auch die Chancen der Arbeit in Tourismusregionen und die Fragen nach „Gemeinden auf Zeit“ angesprochen.In Brasilien ist die Kirche aktuell vor allem durch die Polarisierung der Gesellschaft herausgefordert. Auch die vielen neopentakostalen Gemeinden sind eine Herausforderung.

Die luth. Kirche in Brasilien beschäftigt sich derzeit mit ihrer 200jährigen Geschichte. Dabei geht es nicht so sehr  um die Vergangenheit, die Einwanderungsgeschichte, sondern um die Frage, wie die Kirche als lutherische Kirche mit ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen in die Zukunft gehen wird.
Als Kirchen sind wir miteinander gefragt, wie wir angesichts des Klimawandel reagieren. Dabei spielt der Regenwald des Amazonas genau so eine Rolle, wie unser Energieverbrauch – auch das war ein Thema der Konsultation.  Auch die schon angesprochene Frage nach dem Theologennachwuchs ist für beide Kirchen ein zentrales Thema. Wie wir uns da mit unseren jeweiligen Projekten und Erfahrungen helfen können, wurde thematisiert.

Wo konnten Sie voneinander lernen? 

Michael Martin: Wie die kleine Minderheitskirche in Brasilien eintritt für eine gerechte Gesellschaft, für die, die an den Rand gedrängt werden – Indigene, Arme in den Favelas – und Partei ergreift für das Miteinander in einer polarisierten Gesellschaft ist beeindrucken. Auch das besondere Zusammenspiel von Ortsgemeinden und Kirchenleitung in einem riesigen Land ist beispielhaft. Immer wieder werden in Brasilien Anfänge gemacht mit neue  Gemeindegründungen. Wie diese selbständig werden und welche Ausstrahlung diese haben ist bereichernd.
Wir konnten aber auch deutlich erkennen, welche großen Chancen wir als Kirche in Bayern (noch) haben – mit dem Religionsunterricht in staatlichen Schulen, den offenen Ohren für unsere Anliegen bei Politikern auf allen Ebenen oder dem dichten Netz an Gemeinden in ganz verschiedenen Formen – von den Ortsgemeinden bis zu den „Gemeinden bei Gelegenheit“. 

Ein besonderes Highlight für Sie in diesen Tagen?

Michael Martin: Zuerst eigentlich ein Lowlight, was die Situation in Brasilien betrifft, aber doch wichtig: Die Präsidentin der Synode der IECLB hat von den gesellschaftlichen Verwerfungen in Brasilien berichtet, den vielen Morden, der Diskriminierung, der Ausbeutung der Ressourcen, der „Entmenschlichung von Indigenen und Afrobrasilianern“ und hat dann das Fazit gezogen: „Es geht in der Kirche nicht nur um das individuelle Heil. Christen müssen auch die Machtstrukturen durchbrechen.“
Ein Highlight war sicher der gemeinsame Berggottesdienst auf der Staffnalm, der erlebbar werden ließ, was wir vorher über die Chancen von „Gemeinden bei Gelegenheit“ im Tourismus diskutiert haben.    

Was folgt nun daraus? Wurden weitere Vereinbarungen getroffen?

Michael Martin: Es wurde vereinbart, dass wir die Klimafragen weiter bearbeiten werden. Wir brauchen einen gemeinsamen „Pakt für das Leben“.
Auch ein Studientag zur Gender-Thematik bzw. zur Homosexualität – eine große Herausforderung in der brasilianischen Gesellschaft aber auch in der Kirche – wurde vereinbart.
Vereinbart wurde, den Dreiervertrag mit der CILCA (mittelamerikanische lutherische Kirchen) von der bisherigen Erklärung zur Unterstützung zu einem echten Partnerschaftsvertrag weiter zu entwickeln. Er soll der Synode der ELKB im Frühjahr 2023 vorgelegt werden.

Wann treffen Sie sich wieder?

Michael Martin:  Das nächste Treffen wird im Mai 2024 in Brasilien stattfinden und wir werden uns dann mit dem Thema, das auch der LWB derzeit und für die VV 2023 in Polen bearbeitet beschäftigen: Lutherische Identität. Was heißt es in Bayern, in Brasilien lutherische Kirche zu sein? Wie werden wir (von außen) gesehen? Was bedeuten wir für die Menschen? Welche Aufgaben haben wir in unseren Gesellschaften?

 

Oberkirchenrat Michael Martin, Bild: © ELKB

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Michael Martin

Oberkirchenrat Michael Martin st Leiter der Abteilung  "Ökumene und Kirchliches Leben" im Landeskirchenamt.

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27.06.2022
ELKB