Der bayerische Landesbischof Christian Kopp ist überrascht über die Debatte zu Rahmenbedingungen bei der Entstehung der Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche und die Diakonie.

Der bayerische Landesbischof Christian Kopp ist überrascht über die Debatte zu Rahmenbedingungen bei der Entstehung der Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche und die Diakonie.

Bild: ELKB

ForuM-Studie

"Sexuelle Gewalt widerspricht allen unseren Grundauffassungen"

Die ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche hat nach Aussage des bayerischen Landesbischofs Christian Kopp auch bei ihm Spuren hinterlassen.

Es sei entsetzlich zu hören, dass es in der Gesellschaft sexualisierte Gewalt gibt, sagte er am Dienstag im Münchner Presseclub. Noch entsetzlicher sei es, zu konstatieren, dass sie auch im Raum der evangelischen Kirche stattfindet: „Das widerspricht einfach so allem, was wir an Grundauffassungen haben.“ Zugleich wies er die Kritik der Forschenden zurück, die Landeskirchen hätten zu wenige Daten geliefert.

Die bayerische Landeskirche habe in kleinteiliger Arbeit alle Meldungen und alle Disziplinarakten untersucht und diese Analyse weitergemeldet, erläuterte Kopp. Von der Forderung, dass alle Landeskirchen auch alle Personalakten hätten sichten sollen, habe man erst am vergangenen Donnerstag erfahren - also erst bei der offiziellen Präsentation der Studie. Vergangenen Freitag hatte Kopp dem Evangelischen Pressedienst (epd) gesagt, für die bayerische Landeskirche belaufe sich die Zahl aller Personalakten auf eine mindestens hohe sechsstellige Summe. Diese zu sichten sei im Erhebungszeitraum schlicht nicht möglich gewesen.

Am Dienstag betonte Kopp im Münchner Presseclub: In den Gesprächen, „von denen wir Kenntnis hatten“ zwischen Forschenden und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sei die Sichtung aller Personalakten nicht angekündigt gewesen. Er selbst habe keine Kenntnis von dem Vertrag zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und den Studienmachern. Er sei daher sehr unglücklich mit dem Vorwurf der Forschenden „des mangelnden Engagements“ bei der Durchsicht der Personalakten.

Kopp gab auch zu bedenken, dass in der Diskussion um die Personalakten aus dem Blick gerate, um was es der Studie eigentlich gehe: nämlich um die Benennung von Risikofaktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigten. Bei der Studie sollte es ausdrücklich nicht um Einzelpersonen gehen, erläuterte er. Als Risikofaktoren hatten die Studienmacher etwa die föderale Struktur der evangelischen Kirche ausgemacht.

Es sei zwar nun eine große Herausforderung, alle Personalakten zu sichten, weil sie in der bayerischen Landeskirche nicht zentral hinterlegt seien. „Aber dem wollen wir uns stellen“, betonte Kopp, pochte aber auch auf eine EKD-weite Linie. Man werde sicherlich nicht anfangen, Personalakten zu analysieren, wenn es die anderen Landeskirchen nicht auch machten. Man wisse auch nicht genau, um wie viele Akten es genau gehe. Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel sprach am Dienstag von „100.000 Akten oder mehr“.

Die ForuM-Studie hatte Kritik wegen ihrer geringen Datenbasis auf sich gezogen. Die meisten Landeskirchen hatten den Forschern lediglich Disziplinarakten geliefert, aber keine Personalakten. Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte Untersuchung ermittelte für den Zeitraum von 1946 bis 2020 mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter.

Kopp sieht die evangelische Kirche bereits auf einem guten Weg bei der Aufarbeitung. Die Kirche habe zwar lange gebraucht, „da wurde auch manches falsch gemacht“. Aber in den vergangenen Jahren sei in allen Landeskirchen Wesentliches passiert: „Wir haben etwas geschaffen, was sonst keine andere Organisation hat - nämlich eine echte Betroffenenpartizipation mit Entscheidungsgewalt“, betonte Kopp. Dennoch müsse man bei der Prävention noch „proaktiver“ werden und die Studienergebnisse nun konsequent auswerten.

Bei dem Pressegespräch sprach Kopp auch über den Umgang seiner Kirche mit der AfD. Man dürfe Rechtsextremismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit keinen Raum geben in Bayern. Christinnen und Christen könnten einer Partei niemals eine Stimme geben, in der offen rechtsextremistisch geredet und Menschenhass geschürt werde, sagte er.

Zwar gebe es keine offizielle Regelung in der Landeskirche, die besage, dass AfD-Mitglieder keine Kirchenämter innehaben können. Man mache aber klar, dass nationalistische und rassistische Anschauungen mit der Kirche unvereinbar seien. Aber letztlich wisse man natürlich nicht, welche Parteizugehörigkeit die Kandidaten etwa für die Kirchenvorstandswahlen im November haben, räumte Kopp ein. Es gebe ja keine Gewissensprüfung.

Kopp betonte auch die Notwendigkeit der privaten Seenotrettung im Mittelmeer. „Dass man Menschen ertrinken lässt, das darf nicht sein.“ Er bitte die Politik daher eindringlich, sich genau darauf zu verständigen. Es werde nicht aufhören, dass die Menschen ein besseres Leben für sich und ihre Familien suchten - sei es in den Herkunftsländern, in Anrainerstaaten, auf dem Mittelmeer oder in Europa oder Deutschland.


epd