Landesbischof Bedford-Strohm bei der Besichtigung des neuen Würzburger Stadtteils 'Hubland'.

Neue Wege kirchlcher Beheimatung im neuen Stadtteil sucht der „Initiativkreis Hubland“ (hier mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm) in Würzburg - nur eines von zahlreichen, so genannten MUT-Projekten, die die Landeskirche im Zuge ihres Umbaus fördert.

Bild: Harriet Tögel

Sinkende Mitgliederzahlen

Wir versuchen es mal anders

Die bayerische Landeskirche hatte in ihren 1536 Kirchengemeinden zum 31.12.2022 insgesamt 2.143.275 Kirchenmitglieder. Im Jahr 2022 waren 2786 Personen in die Kirche eingetreten (2021: 2330). 48.542 Personen sind aus der Kirche ausgetreten (2021: 36.580).

„Wir schauen nicht weg, sondern stellen uns der Realität - auch wenn es schmerzt", kommentierte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm diese Zahlen. "Studien zeigen uns die Gründe für die Kirchenaustritte: In der heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft wird der christliche Glaube in den Familien nicht mehr als Selbstverständlichkeit gelebt und weitergegeben. Während früher viele Menschen aus Tradition, aus Konvention oder gar aus Zwang Mitglied der Kirche waren, sind sie es heute allein aus Freiheit. Deswegen sind die heutigen Kirchenmitgliedschaftszahlen auch ehrlicher als früher. Gleichzeitig haben wir auf diese Situation reagiert. Wir sind mitten drin, die Kirche umzubauen, damit sie attraktiver wird für religiös ansprechbare Menschen, für Menschen, die nach dem Sinn in ihrem Leben suchen“. Ein Patentrezept werde es jedoch nicht geben, so der Landesbischof.

"Wir sind mitten drin, die Kirche umzubauen, damit sie attraktiver wird für religiös ansprechbare Menschen."

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm

Kirchliche Startups: mehr junge Menschen engagieren sich

Um attraktive Formen von Kirche zu entwickeln hat die bayerische Landeskirche vor einem Jahr 3 Mio Euro in die Hand genommen, um in bisher 40 kirchlichen Startups neue Formen von Kirche auszuprobieren.

Ein Beispiel für einen mutigen und kreativen Schritt ist die Aktion „einfach heiraten“ am 23.3.2023, wenn sich an mehr als 12 Standorten in Bayern die Kirchen öffnen und Menschen kirchlich heiraten (wenn vorher standesamtlich getraut) oder einen Segen empfangen können – ohne aufwändige Vorbereitungen einer großen Feier.  In einer ähnlichen Aktion am Valentinstag wurden in der Erlöserkirche in Rosenheim zwischen 15 und 19 Uhr fünf Paare getraut (sie hatten vorher am Standesamt geheiratet) und neun Paare gesegnet. Die Rosenheimer Dekanin Dagmar Häfner-Becker betonte, wie berührend diese Feiern für die Paare waren und hier wurde deutlich: „Sie erwarten etwas von der Kirche, was nur die Kirche geben kann: den Segen Gottes“.

Tauffest in Fürth

Bild: Christiane Lehner

Tauffest in Fürth

Auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen

EKD-weit wird im Juni eine Taufinitiative gestartet, auch in Bayern planen hunderte von Kirchengemeinden Aktionen wie die besondere Einladung zur Taufe von Erwachsenen oder große Tauffeste wie z.B. in Landshut.

Projektleiter Kirchenrat Michael Wolf: „Wir haben uns vorgenommen, auszuprobieren und achten vor allem darauf, wie wir auf Fragen und Bedürfnisse der Menschen eingehen können“. Jetzt, ein Jahr nach dem Start zeige sich bereits, so Wolf, dass die Startup Initiativen an vielen Stellen vermehrt junge Leute und junge Erwachsene anziehen, sich überdurchschnittlich viele ehrenamtlich engagieren und Menschen Lust haben, neue Formen von Kirche zu entwickeln.

Als verlässlicher Kanal für die Verkündigung haben sich in den vergangenen Jahren die Rundfunk- und Fernsehgottesdienste im Bayerischen Rundfunk erwiesen. Rund 930.000 Menschen hören am Sonntag die evangelische Morgenfeier in Bayern 1, die sieben Gottesdienste im Bayerischen Fernsehen erreichen zwischen 500.000 Zuschauern in der Osternacht und 120.000 Zuschauern an einem normalen Sonntag.

Die bayerische Landeskirche investiert darüber hinaus in neue Verkündigungsformen im digitalen Raum. Im Rahmen eines dreijährigen Projekts starten sieben Pfarrerinnen und Pfarrer und eine Religionspädagogin „digitale Gemeinden“. Einige von ihnen sind bereits in sozialen Medien aktiv, andere entwickeln gerade neue Formate. Das Ziel des Projekts ist, auf unterschiedlichen Plattformen wie Instagram, Tiktok oder YouTube präsent zu sein und Gemeinde und Kirche zu leben.

Rebekka Scherf etwa bietet im Rahmen des Projekts immer wieder mehrwöchige Whatsapp-Kalender mit täglich spirituellen oder theologischen Impulsen. Nach einer Aktion im Herbst mit ca. 200 Abonnenten, dann in der Adventszeit mit ungefähr 400 Abonnenten begann gerade die WhatsApp-Aktion für die Passionszeit mit fast 800 Teilnehmenden. Pfarrer Florian Wörnle ist als „pfarrerflow“ auf Instagram aktiv und gibt Einblicke in seinen Alltag als Pfarrer und Familienvater, dreht Reels und postet Instagram-Kurzgebete. Die Reichweite und die positiven Rückmeldungen einzelner Videos und Postings sind bereits jetzt sehr ermutigend.

Synodalpräsidentin: Künftig weniger Regeln, mehr Angebote

„Wir wissen noch nicht, ob unsere kirchlichen Startups die Austrittswelle stoppen können“, so Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel, „aber wir wollen in der Kirche eine neue Haltung einüben. Dafür brauchen wir den Mut, über zeitgemäßes Christsein nachzudenken und Neues auszuprobieren“.

Sie wünsche sich die „Kirche in Zukunft als eine Gemeinschaft, in der man sich auf Impulse wie in den frühchristlichen Gemeinden rückbesinnt, wo man schaut: Um wen muss ich mich kümmern? Wem geht es schlecht? Wer ist krank? Wo können wir helfen?“ Die Kirche sollte sich viel mehr als ein Netzwerk verstehen, in dem die christlichen Werte den Unterschied machen und Christinnen und Christen für andere interessant sind – ohne dass man sofort nach der Kirchenmitgliedschaft fragt. Die Menschen sollten nicht mehr ängstlich fragen müssen: Darf ich zum Abendmahl gehen, auch wenn ich nicht in der Kirche bin? „Diese Ängste gibt es, und solche Ängste bauen Zäune auf, die die heilsame Erfahrung von Gemeinschaft blockieren“, so Preidel. „Ich wünsche mir die Kirche der Zukunft als flexible Netzwerke und weniger als Organisation mit strengen Regeln und Gottesdienstformen. Ich wünsche mir offene Gemeindeformen, wo man auf Menschen zugehen kann, wo Menschen eine Heimat finden, wo sie mitmachen können, unabhängig von einer Kirchenmitgliedschaft. Ich wünsche mir viel mehr Flexibilität, viel mehr Angebote, bei denen man sich auch kurzfristig und spontan engagieren oder teilnehmen kann. Das Thema Kirchenmitgliedschaft kommt erst ganz am Schluss.“

07.03.2023
Johannes Minkus

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