Ulrich Gottwald hat eine Ausbildung als systemischer Seelsorger.

Ulrich Gottwald hat eine Ausbildung als systemischer Seelsorger.

Bild: Alian Uhu

Arbeitsseelsorge

Die Außendienstler der Kirche

Etwa ein Drittel ihrer Lebenszeit verbringen Menschen in der Arbeit. Dort sind Seelsorger*innen in der Arbeitswelt für sie da. Für viele kirchenferne Beschäftigte sind sie der einzige Kontakt zur Kirche.

„Da standen 800 Leute, die gerade ihren Job verloren hatten“, erinnert sich Ulrich Gottwald an seine ersten Arbeitstage als Seelsorger in Augsburg. Ein Unternehmen ging gerade insolvent. Gottwald war vor Ort, hörte zu, organisierte Gemeinde-Räume für Gespräche. „Arbeitskampf machen andere“, so der 51-jährige Diakon, „ich kann keine Jobs retten, das wissen die Menschen.“

Angst, Enttäuschung, Wut … und Hoffnung

Menschen zu befähigen, besser mit der Situation umzugehen, sei seine Aufgabe bei Betriebskrisen, erläutert Gottwald. Er hat eine Ausbildung als systemischer Seelsorger. Angst, Enttäuschung und Wut haben Platz in den Sprechstunden, die er und sein katholischer Kollege anbieten. „Die Menschen sollen die Belastungen nicht mit in die Familien nehmen müssen“, so Gottwald.

Kirche auf Augenhöhe

Ob bei Industrieunternehmen oder im Einzelhandel, die Reaktionen der Beschäftigten seien durchweg positiv: „Wir werden als Kirche sichtbar – und das kommt gut an.“

Hilfreich ist dabei die Berufsbiographie vieler Arbeitsseelsorger*innen. „Wir verstehen die Beschäftigten und sie uns“, sagt Gottwald, der im ersten Beruf als Kfz-Mechaniker mit Gesellenbrief tätig war.

Beziehung, Kontinuität und Vertrauen

„Eigentlich ernte ich, was meine Vorgängerin als Sozialsekretärin 21 Jahre lang gesät hat: Vertrauen“, erzählt Klaus Hubert. Der 58-jährige Diakon ist seit 2011 als Arbeitsseelsorger unterwegs, seit 2022 schwerpunktmäßig in der Industrie-Region Schweinfurt.

Arbeitssicherheit, Arbeitszeiten, Entlohnung, Entfristung, Pausenzeiten und Kantine: In der regelmäßigen Betriebskontaktarbeit begegnet ihm ein bunter Strauß an Fragestellungen. Dabei sind auch ganz persönliche Anliegen wie: „Kennst Du eine Gemeinde, die meine Mutter beerdigen kann?“

Auch die Bitte um die Begleitung von Mitarbeitenden, die Augenzeugen von schweren Arbeitsunfällen geworden sind, gehört dazu. Seelische Grenzsituationen kennt der gelernte Krankenpfleger aus der Intensivmedizin für Erwachsene und Kinder. Gerade im akuten Krisenfall sei die kontinuierliche und verlässliche Begleitung der Betriebe im Vorfeld wichtig, so Hubert.

„Kirche wartet oft, dass Menschen zu ihr kommen. Wir bringen Kirche zu den Menschen,“ erklärt Diakon Klaus Hubert.

Bild: kda

„Kirche wartet oft, dass Menschen zu ihr kommen. Wir bringen Kirche zu den Menschen.“

„Überall Getriebene“

Vom Niedriglöhner bis in die Chef-Etage nehme der Arbeitsdruck zu, beobachtet Hubert: „Eigentlich begegnen uns überall Getriebene“. Wer in der Mitbestimmung aktiv ist, befindet sich oft in einer „Sandwich-Position“ zwischen Belegschaft und Leitung. Nach besonders aufreibenden Betriebsversammlungen bietet Hubert den Betriebsräten Seelsorge im geschützten Raum an. Ihn motiviert die Wertschätzung der Menschen: „‚Es ist gut und wichtig, dass Du an unserer Seite bist‘, wird mir oft signalisiert. Auch die Betriebsleitungen nehmen das so wahr und sprechen es aus.“

„Wir bringen Kirche zu den Menschen“

Wichtig ist beiden der enge Kontakt in die Dekanate und Kirchengemeinden. Manche Gemeinden seien unsicher, wie sie reagieren könnten, wenn ein großer Arbeitgeber im Ort insolvent geht. „Nehmt die Beschäftigten am Sonntag in eure Fürbitten auf“, rät Gottwald dann zum Beispiel. Oder er öffnet den Gemeindesaal für Gespräche nach einer Mahnwache. „Kirche wartet oft, dass Menschen zu ihr kommen. Wir bringen Kirche zu den Menschen.“

27.04.2023
kda/Lisa Schürmann

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