Großpodium auf dem Kirchentag

Auch das gehört zum Kirchentag: Intensive Auseinandersetzung mit Themen und Willensbekundungen per Resolutionen. Eine Arbeitsgruppe aus Bayern will am Freitag in Nürnberg eine solche Resolution einbringen.

Bild: DEKT/KayMic

Resolutionen

"Iranische Christen brauchen Schutz!"

Ein wichtiges Mitbestimmungsformat auf dem Kirchentag sind die Resolutionen. Auch eine Arbeitsgruppe um Regionlbischöfin Dorothea Greiner und Oberkirchenrat Michael Martin hat eine Resolution vorbereitet.

Frau Dr. Greiner, Sie werden auf dem Kirchentag einen Resolutionsantrag „Religionsfreiheit und Schutz für Iranerinnen und Iraner in Deutschland“ vortragen. Worum handelt es sich dabei genau?

Dorothea Greiner: OKR Michael Martin und ich wollen eine breite Öffentlichkeit informieren und die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker auf Landes- und Bundesebene zum Handeln auffordern: die iranischen Christen in unserem Land brauchen Schutz!

Inwiefern?

Dorothea Greiner: Zahlreiche geflüchtete Iranerinnen und Iraner sind engagierte Glieder unserer Kirchengemeinden in Deutschland geworden, allein in Bayern rund 2.000 Personen. Einige von ihnen konnten ihren christlichen Glauben im Herkunftsland nur im Geheimen in Hauskirchen und unter großer Gefahr für Leib und Leben praktizieren, andere haben ihn erst unterwegs auf der Flucht oder in Deutschland kennengelernt und sich dann taufen lassen. In Iran ist der Islam Staatsreligion, ein Abfall kann mit dem Tod bestraft werden. Auch droht bei Rückkehr Gefahr von Familienangehörigen im Iran. Es gibt dort keine Religionsfreiheit.

Deswegen suchen sie Schutz in Deutschland.

Dorothea Greiner: Ja, aber in zahlreichen Asyl- und Klageverfahren wurde unseren iranischen Gemeindegliedern ihre christliche, innere, identitätsprägende Glaubensüberzeugung abgesprochen, obwohl sie in unsere Kirchengemeinden integriert sind, regelmäßig zu Gottesdiensten kommen und sich am Gemeindeleben aktiv beteiligen.

Wie kommt das?

Dorothea Greiner: Die panische Angst vor dem Regime in Iran hinderte viele daran, nach negativer Asylentscheidung einen Pass zu beantragen. In Bayern stellen die Ausländerbehörden Strafanzeigen wegen Passlosigkeit, es kommt dadurch zu hohen und wiederholten Verurteilungen, teils oberhalb der Vorstrafengrenze, auch Freiheitsstrafen sind ergangen. Unsere Gemeindemitglieder gelten damit als „Straftäter“, obwohl sie nicht kriminell sind. Diese Strafen verhindern die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels und bestehen fort, selbst wenn der Pass schließlich doch beantragt wird. Die Integration in Arbeit und Ausbildung wird so verhindert.

Was erhoffen Sie sich von der Resolution? 

Dorothea Greiner: Wir fordern, dass die Religions- und Kultursensibilität in Asyl-Anhörungen vor dem Bundesamt und den Verwaltungsgerichten gestärkt werden und dass negative Asylbescheide auf Antrag überprüft bzw. wiederaufgegriffen werden. Zudem muss auf Strafanzeigen wegen Passlosigkeit verzichtet werden bzw. darf die Strafhöhe im Asyl- und Ausländerrecht nicht berücksichtigt werden, wenn der Pass nachträglich vorgelegt und die Identität damit geklärt wird. Weiterhin dürfen keine Abschiebungen in den Iran stattfinden. Die Integration muss befördert werden.

In welchem Rahmen beantragen Sie die Resolution? 

Dorothea Greiner: Wir bringen die Resolution ein beim Podium „Religionsfreiheit - alles andere als sicher. Verletzungen, Anforderungen, Chancen“. Es findet statt am Freitag, 09.06.2023, 11.00–13.00 Uhr im Germanischen Nationalmuseum, Aufseß-Saal, Kartäusergasse 1, Nürnberg.

Was muss ich tun, wenn ich möchte, dass diese Resolution vom Kirchentag angenommen wird?

Dorothea Greiner: Kommen Sie zur Podiumsveranstaltung und bringen Sie möglichst viele weitere Menschen mit! Nur wenn mindestens 500 Menschen im Saal anwesend sind, wird im Rahmen der Podiumsveranstaltung der Text verlesen und darüber abgestimmt.

Wie kommt die Resolution zustande? 

Dorothea Greiner: Eine kleine Arbeitsgruppe, bestehend aus Oberkirchenrat Michael Martin, Anna Westermann, Reza Sadeghinejad, Claudia Dunkern, Johanna du Maire, Susanne Sahlmann und mir, hat in mehreren Sitzungen intensiv an dem Text gearbeitet. Alle sind seit vielen Jahren in der Arbeit mit Geflüchteten tätig, kennen daher die Problematik der beschriebenen Fälle aus eigener Erfahrung und wissen um die Bedrohung insbesondere iranischer Christen in ihrem Herkunftsland.

Angenommen, die Resolution wird so beschlossen - wie geht es dann weiter? 

Dorothea Greiner: Im Falle einer Zustimmung zur Resolution vergibt der DEKT eine Zertifizierung. Anschließend versenden wir selbst die Resolution an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Iris Spranger, sowie den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Wir bitten um Behandlung des Textes in der Innenminister- Frühjahrstagung am 14.-16. Juni, also direkt nach dem Kirchentag. Darüber hinaus verbreiten wir die Resolution in der Öffentlichkeit.e

Willensbekundungen der Teilnehmenden

Resolutionen sind Willensbekundungen von Kirchentagsteilnehmenden, die per Abstimmungen in thematischen Veranstaltungen bzw. durch Unterschriften im Markt der Möglichkeiten beschlossen werden. Sie sind wesentliche Mitbestimmungs- und Beteiligungsformen, aber keine Äußerungen des Deutschen Ev. Kirchentages selbst. Jede und jeder Teilnehmende kann Resolutionen einbringen, wenn er bestimmten Verfahrensregeln folgt. Weitere Resolutionsvorschläge auf diesem Kirchentag betreffen den Pariser Klimavertrag, ein EU-Lieferkettengesetz, Staatsschulden und Klimakrise, sowie die Trennunng von Kirche und Staat. Mehr zu den Resolutionen finden Sie hier.

Regionalbischöfin Dorothea Greiner, Bild: © ELKB

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Dr. Dorothea Greiner

Dr. Dorothea Greiner ist Regionalbischöfin im Kirchenkreis Bayreuth.

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07.06.2023
ELKB