Inge und Wolfgang Niederstraßer

Widersetzten sich dem NS-REgime: Inge und Wolfgang Niederstraßer. Am 26.6. wird in einem Gedenkgottesdienst an den mutigen Pfarrer erinnert.

Bild: privat

Gedenken an Wolfgang Niederstraßer

Ein mutiger Mahner

Weil er 1942 in einem Trauergottesdienst für Gefallene das NS-Regime angeprangert hatte, wurde Pfarrer Wolfgang Niederstraßer im KZ Dachau inhaftiert. Die Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und der Landesbischof erinnerten mit einem Gottesdienst an den mutigen Geistlichen.

Bereits 1938 hatte sich der junge Familienvater Niederstraßer in Thundorf (Dekanat Schweinfurt) geweigert, zum 15. Jahrestag des Hitler-Putsches Kirche und Pfarrhaus zu beflaggen. Vier Jahre später bezeichnete er in einem Gottesdienst in Warmensteinach (Dekanat Bayreuth) das NS-Regime als christentumsfeindlich, was ihn letztlich im April 1945 ins KZ Dachau brachte - als einzigen Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, wie der Pfarrer der Versöhnungskirche, Dr. Björn Mensing berichtet.

Seiner Kirche gegenüber war Niederstraßer ein unbequemer Mahner. So entgegnete er dem damaligen Regionalbischof Otto Bezzel, der ihn zur Vorsicht rief, die Kirche habe in dieser Zeit "nicht nur ein priesterliches, sondern auch ein prophetisches Amt zu versehen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte er an das Versagen der Kirche im Nationalsozialismus: Aus Angst vor den Machtmitteln des Dritten Reiches habe sie ihr von Gott aufgegebenes prophetisches Wächteramt nicht wahrgenommen.

Erinnerung an Menschen, die heute Widerstand leisten

Im Gottesdienst in der Versöhnungskirche würdigte der bayerische Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm den widerständigen Pfarrer. Die Kirche damals hätte die Mahnung Niederstraßers nicht gehört, so der Landesbischof in seiner Predigt. Vergeblich habe der Pfarrer auf Beistand gehofft. Auch später sei sein Widerstand nicht gewürdigt worden. "Wir erinnern heute an Wolfgang Niederstraßer, weil wir sagen: Nie wieder wollen wir unsere Ohren verschließen, wenn Menschen Unrecht anprangern. Wir wollen hinhören!" Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die ein Grußwort hielt, In dem Gottesdienst wurde auch an Menschen erinnert, die heute Verfolgung erleiden, weil sie Widerstand leisten: Wang Yi (China), Volha Zalatar (Belarus) und Ioann Burdin (Russland). Der russisch-orthodoxe Priester Burdin erhielt wegen seiner Kritik am Überfall auf die Ukraine eine hohe Geldstrafe.

In den Fürbitten wurde zudem für die KZ-Dachau-Überlebenden Iwan Kutschmin, Pavlo Scharun und Vasyl Volodko gebetet, die in der Ukraine in großer Gefahr sind.

An dem Gottesdienst wirkten neben dem Landesbischof und Mitgliedern des Teams der Versöhnungskirche und der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte auch BR-Sprecherin Julia Cortis mit. Beim anschließenden Empfang hielt Kulturstaatsministerin Claudia Roth ein Grußwort. Zahlreiche Ehrengäste, unter anderem Nachkommen von Wolfgang Niederstraßer, Angehörige von NS-Verfolgten sowie  Herzog Max in Bayern, der im April 1945 mit acht Jahren als „Sippenhäftling“ ins KZ Dachau verschleppt wurde, nahmen an dem Gedenten teil.

22.06.2022
ELKB