Vor fast 400 Jahren begann die Geschichte der Passionsspiele in Oberammergau.

Vor fast 400 Jahren begann die Geschichte der Passionsspiele in Oberammergau.

Bild: iStock-coco194

Oberammergau Passionsspiele

"Die Gemeinde lebt für die Passion"

Alle zehn Jahre wird es aufregend im bayerischen Oberammergau. Dann besuchen Hunderttausende Menschen aus dem In- und Ausland die Passionsspiele, das weltberühmte Schauspiel mit rund 2.000 Laiendarstellern. Am Samstag war Premiere.

Vor wenigen Wochen glaubten viele noch nicht daran, dass die Passionsspiele in diesem Jahr tatsächlich stattfinden. Doch nachdem das weltberühmte Schauspiel 2020 pandemiebedingt um zwei Jahre verschoben wurde, stand die Premiere nun tatsächlich bevor. Als eines der ersten internationalen Großereignisse starteten die Passionsspiele Oberammergau ohne Corona-Beschränkungen - die Zuschauer brauchen keine Masken oder Tests.

Die Passionsspiele gehen auf ein Pestgelübde von 1633 zurück, finden nur alle zehn Jahre statt und erzählen die Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu. Traditionell steht bei dem Laienspiel die Hälfte der Einwohner des 5.000-Seelen-Ortes auf der Bühne. Geplant sind 103 Vorstellungen, 4.200 Zuschauer dürfen pro Veranstaltung ins Theater nach Oberammergau. Erstmals fanden in diesem Jahr am 7. und 8. Mai auch Jugendtage statt.

Anlässlich der Oberammergauer Passionsspiele, die vom 14. Mai bis 2. Oktober stattfinden, bieten die beiden großen christlichen Kirchen ein breites Rahmenprogramm an und laden herzlich zu den Gottesdiensten in der evangelisch-lutherischen Kreuzkirche und der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul während der Passionsspiele ein, deren Termine unter https://oberammergau-evangelisch.de/passion und https://www.erzbistum-muenchen.de/passion-oberammergau/gottesdienste einsehbar sind. Im Gemeindehaus der Kreuzkirche, das in unmittelbarer Nähe zum Passionstheater steht, besteht in der Spielpause jeweils die Möglichkeit zu Gespräch und Begegnung. Beide Gemeinden laden zudem während der Passionsspielzeit zu einem „Offenen Raum“ am Sternplatz (Dorfstraße 26 - 33a) in Oberammergau ein. Dort werden Leitworte des Passionsgeschehens an sieben Stationen sichtbar gemacht als Einladung an die Betrachtenden, Bezüge zum eigenen Leben zu entdecken.

Auf einem Passionsweg durch Oberammergau mit Stationen und spirituellen Impulsen können Besucherinnen und Besucher ihren Bezug zur biblischen Passionsgeschichte vertiefen. Führungen finden während der Passionsspiele immer dienstags, donnerstags und samstags statt. Treffpunkt ist jeweils um 10.15 Uhr an der Pfarrkirche St. Peter und Paul.

Unter dem Motto „In deine Hände lege ich meinen Geist“ findet in der Pfarrkirche St. Peter und Paulimmer abends ab 21 Uhr eine Licht-Text-Rauminstallation statt. Im Zusammenspiel der Installation der Künstler Detlef Hartung und Georg Trenz mit dem Kirchenraum und seiner Bedeutung für die Spiele in Oberammergau soll ein Ort konzentrierter Reflexion und Kontemplation entstehen.

Das Passionsfieber habe nun alle wieder gepackt, sagte Spielleiter Christian Stückl. Dennoch sei in diesem Jahr nichts wie vorher: Rund 300 Mitwirkende seien nach 2020 ausgestiegen, weil sie sich nicht noch einen Sommer hätten freinehmen können. Auch wisse man nicht, wie viele Besucher letztlich kommen oder welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg oder die Corona-Pandemie noch haben werden.

„Täglich haben wir uns vor den Proben getestet, haben zuerst nur in kleinen Gruppen geprobt“, beschrieb Stückl die coronabedingten Mühen des vergangenen halben Jahres: „Ständig haben wir die Inzidenzwerte, die einfach nicht sinken wollten, beobachtet.“ Die Gemeinde Oberammergau lebe durch und für die Passion, ergänzte Bürgermeister Andreas Rödl. Er freue sich riesig, dass die Spiele nach der langen Zeit des kulturellen Lockdowns stattfinden können - „und wir als eine der ersten internationalen Großveranstaltungen viele Gäste aus der ganzen Welt bei uns willkommen heißen dürfen“.

Erstmals übernimmt in diesem Jahr ein Muslim eine Hauptrolle. Der Oberammergauer Cengiz Görür feiert als Judas sein Debüt in einer tragenden Rolle. Er frage seine Schauspieler nicht, woran und wie viel sie glauben, sagte Stückl. Inzwischen spielten Oberammergauer mit, die aus der Kirche ausgetreten sind oder evangelisch oder muslimisch seien. Auch Frauen hätten inzwischen die gleichen Rechte wie Männer, sagte Stückl. Vor 1990, als er erstmals die Spiele geleitet hatte, sei das noch keine Selbstverständlichkeit gewesen.

Er selbst sei noch Mitglied der katholischen Kirche und stark katholisch sozialisiert, sagte Stückl. „Das Katholische ist einfach in mir drin“, sagte er. Doch auch er habe gerade in der letzten Zeit große Schwierigkeiten mit Vorkommnissen in der Kirche. „Ich bin ein Zweifler“, sagte der Spielleiter. Und mal glaube er mehr, mal weniger.

Walter Rutz, Geschäftsführer der Passionsspiele Oberammergau Vertriebs GmbH & Co. KG, sagte zehn Tage vor der Premiere, dass aktuell rund drei Viertel der insgesamt 450.000 Karten verkauft seien. Das Interesse im deutschen Markt sei spürbar, auch die Nachfrage aus Übersee sei ungebrochen. Zu den Hauptmärkten zählten weiterhin die USA, wohin rund ein Drittel der bereits verkauften Tickets gegangen seien, sowie Großbritannien und Skandinavien.

Beim Text der Spiele habe Stückl mittlerweile „quasi freie Hand“, sagte er. Statt theologische Diskurse ins Zentrum zu stellen, sei Jesus diesmal an den Grenzen der Gesellschaft, bei der Armen, bei den Flüchtlingen, nah am Menschen. Bei der diesjährigen Bearbeitung des Textes habe er fast das Gefühl gehabt, sagte Stückl, Jesus verzweifle manchmal an dieser Welt.

Auch Bühnenbild und Kostüme hätten sich im Vergleich zum letzten Mal deutlich verändert. Statt verschiedener Orte gebe es nun eine Tempelanlage als Gesamtbühne, berichtete Stefan Hageneier, Leiter des Bereichs „Bühne und Kostüme“. Alles wirke düsterer, habe einen „dystopischen Anklang“; auch die Kostüme seien in düsteren Farben gehalten. Bei der Musik sei ebenfalls Vieles neu, sagte der musikalische Leiter Markus Zwink. Alles sei „fließender“ geworden, auch gebe es erstmals gebe es keinen Prologsprecher mehr: Dieses „moralische Sprachrohr“ falle weg und lasse dem Chor und den lebenden Bildern mehr Raum, die Geschichte selbst zu erzählen, sagte Zwink.

11.05.2022
ELKB

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