Pressemitteilung vom 15.02.2022

Christsein ganz praktisch gelebt: Dirk Wollenweber ist neuer Beauftragter für die Notfallseelsorge und Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst in der evangelischen Kirche in Bayern

Wenn der Tod unerwartet zuschlägt, steht er den Hinterbliebenen in den ersten Stunden bei: Dirk Wollenweber aus Peiting (Landkreis Weilheim-Schongau). Jetzt hat ihn die Landeskirche zum obersten evangelischen Notfallseelsorger in Bayern berufen.

 

Nach 60 gemeinsamen Jahren liegt der Ehemann morgens reglos im Bett. Die Ehefrau wählt den Notruf. Sie fühlt sich wie in einem Albtraum. Doch mit dem Blaulicht und den Sirenen kommt die schreckliche Gewissheit: Ihr Mann ist tot. Von einer Minute auf bricht die Welt der Seniorin zusammen.

 

In solchen existenziellen Krisensituationen kommen Notfallseelsorger wie Dirk Wollenweber zum Einsatz. Er hält den ersten Schrecken mit den Hinterbliebenen aus. Hilft, das Unfassbare zu begreifen. Benachrichtigt auf Wunsch Familie oder Freunde. Zunächst aber stellt er sich einfach vor. „Hallo, ich heiße Dirk Wollenweber, und ich bin jetzt für Sie da.“

 

Im Schnitt viermal im Jahr wird der Theologe aus Peiting (52) zu einem Einsatz in seinem Dekanat gerufen. Seit 2005 engagiert er sich in diesem Bereich. Seit 2013 ist er der landeskirchliche Beauftragte für die Notfallseelsorge und Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst (NFS) in Südbayern. Seit Januar dieses Jahres ist er für ganz Bayern zuständig.

 

Konkret heißt das: Auf administrativer Ebene verwaltet Dirk Wollenweber den Haushalt und kümmert sich um die Umsetzung von Mindeststandards in der Ausbildung. Auf politischer Ebene vertritt er die NFS in der Öffentlichkeit und in den Gremien der Landeskirche. Er folgt auf Hanjo von Wietersheim, der die evangelische Notfallseelsorge in Bayern maßgeblich mitaufgebaut hat. Das bereits Erreichte will Dirk Wollenweber ausbauen und noch stärker in der Landeskirche und ihrem Seelsorgeangebot etablieren. Der Kirche kommt seiner Ansicht nach hier eine Schlüsselfunktion in der Gesellschaft zu. „Notfallseelsorge ist eine Art, Christsein praktisch zu leben.“

 

Stefan Blumtritt, in dessen Abteilung die Notfallseelsorge im Landeskirchenamt angesiedelt ist, sieht das genauso. „Menschen in Not zu begleiten gehört zum Ur-Auftrag der Kirche.“ In Dirk Wollenweber als obersten evangelischen Notfallseelsorger sieht der Oberkirchenrat eine Idealbesetzung. „Langjährige Praxiserfahrung gepaart mit Einfühlungsvermögen und geballter Kompetenz – besser geht es nicht.“

 

Eigentlich ist Dirk Wollenweber Pfarrer. Bis Ende vergangenen Jahres teilte er sich eine Stelle mit seiner Frau in Peiting. Seinen Glauben aber zwingt Dirk Wollenweber bei seinen Einsätzen niemanden auf. „Der Dienst am Nächsten – unabhängig von Religion, Weltanschauung oder ethnischer Herkunft – ist mein Auftrag.“ Nur, wenn er das Gefühl hat, dass es dem Hinterbliebenen guttun könnte, bietet er an, mit ihm zu beten. Oder eine Aussegnung des Leichnams vorzunehmen. Ansonsten versucht er herauszufinden: Was braucht dieser Mensch gerade?

 

Die Bedürfnisse sind so verschieden wie die Menschen selbst: Die einen wollen reden, „manche ohne Punkt und Komma“. Andere weinen und klagen. Wieder andere schweigen. Dirk Wollenweber hört zu. Oder hält das Schweigen aus. Ist einfach da. Diese Fähigkeiten gehören ihm zufolge zu den wichtigsten Eigenschaften eines Notfallseelsorgers. Genau wie eine gewisse Distanz zum Leid des anderen. „Das heißt nicht, dass ich nicht empathisch bin“, sagt Dirk Wollenweber. „Aber es gibt einen Unterschied zwischen Mit-Leiden und Mit-Gehen.“

 

Auch, wenn es zeitlich künftig enger wird: Dirk Wollenweber will trotz des neuen Amts aktiver Notfallseelsorger und Feuerwehrseelsorger bleiben. „Es ist ein Privileg, diese Menschen begleiten zu dürfen.“ Und es bereichert sein eigenes Leben. „Wenn ich als Notfallseelsorger unterwegs bin, macht mir das deutlich, wie wichtig es ist, das Leben bewusst zu leben und zu genießen.“ Deshalb feiert er gern. Lacht gern. Genießt die Gemeinschaft mit Familie und Freunden.

 

Immer wieder kommt es auch vor, dass Dirk Wollenweber zu Verkehrsunfällen gerufen wird – weil die Rettungskräfte dabei Unterstützung brauchen, das Erlebte zu verarbeiten. „Glücklicherweise ist das aber eher die Ausnahme.“ Jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann wird zur Prävention in Stressbewältigung geschult – unter anderem von Dirk Wollenweber.

 

Manche Notfalleinsätze gehen auch dem erfahrenen Seelsorger Dirk Wollenweber an die Nieren. Hobbys wie Gitarre spielen, Segeln oder Joggen reichen da nicht aus, um abzuschalten. Deshalb hat Dirk Wollenweber ein festes Ritual: Bevor er seine Wohnung betritt, zieht er die Einsatzjacke aus. Dann wäscht er sich Hände und spült symbolisch alles ab, was er erlebt hat. Seine Frau und die beiden Kinder wissen: Erst dann ist er wieder ansprechbar.

Oft geht Dirk Wollenweber anschließend noch in „seine“ Kirche in Peiting, setzt sich hin und betet. „Gott, ich habe alles getan, was ich konnte. Jetzt bist du dran!“

 

Die offizielle Einführung von Dirk Wollenweber findet coronabedingt erst am Sonntag, 18. September, ab 15.30 Uhr in der Apostelkirche Weilheim durch Oberkirchenrat Stefan Blumtritt und Kirchenrat Ingo Schurig statt.

15.02.2022
München, Silke Scheder, Stellv. Pressesprecherin

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