Gedenken an Hans Leipelt

„... und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“

Mit einer Gedenkandacht auf Youtube erinnert die Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau an die Weiße-Rose-Nachfolgegruppe um Hans Leipelt (1921-1945).

Am 29. Januar 1945 wurde der Student Hans Leipelt (23) von der NS-Justiz im Gefängnis München-Stadelheim ermordet. Der berüchtigte Volksgerichtshof hatte den Widerstandskämpfer aus dem Umfeld der Weißen Rose im Oktober 1944 „wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt. An seinen 100. Geburtstag am 18.7. erinnerte Björn Mensing, Landeskirchlicher Beauftragter für evangelische Gedenkstättenarbeit in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau, im Rahmen der wöchentlichen ökumenischen Coventry-Andacht.

Hans Leipelt, geboren am 18. Juli 1921 in Wien, wächst in Hamburg auf. Wegen regimekritischer Äußerungen muss er 1935 die Schule wechseln. Nach Abitur und Arbeitsdienst leistet er seinen Wehrdienst. Obgleich wegen Tapferkeit im Zweiten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet, wird er im August 1940 als „Halbjude“ –seine evangelische Mutter, die aus einer jüdischen Familie stammt, gilt in der NS-Terminologie als „Volljüdin“ –unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen.

Immer größere Einschränkungen

Die antisemitischen Ressentiments und Einschränkungen, die er seit seiner Schulzeit erfährt und die ab 1938 die Familie seiner Mutter in Wien in vollem Umfang treffen, stellen eine wesentliche Motivation für seine Auflehnung gegen den Nationalsozialismus dar. Politisch sympathisiert der junge Mann sowohl mit marxistischen Ideen als auch mit einem parlamentarisch regierten Staat. Im Herbst 1940 beginnt Leipelt in Hamburg mit dem Chemiestudium, das er nach massiven Behinderungen 1941 in München fortsetzt.

Am Institut von Professor Dr. Heinrich Wieland lernt er die ebenfalls NS-kritische Kommilitonin Marie-Luise Jahn kennen und lieben. Schon bald ist das Glück der beiden aber überschattet von der Deportation seiner Großmutter nach Theresienstadt im Juli 1942 und durch den Tod seines „arischen“ Vaters im September 1942, durch den seine Mutter den fragilen Schutz der „privilegierten Mischehe“ verliert. Seine jüngere Schwester Maria muss ihre Schule verlassen.

Nachfolger der Weißen Rose

Nach der Verhaftung und Hinrichtung von Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst im Februar 1943 tippen Hans Leipelt und Marie-LuiseJahn das letzte Flugblatt der Weißen Rose ab und geben ihm die Überschrift „... und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“. Sie verbreiten das Flugblatt in ihrem Freundeskreis und bringen es zusammen mit anderem brisanten Material nach Hamburg.

Im Sommer 1943 sammelt das Paar Geld für die Frau von Professor Kurt Huber, die nach dessen Verhaftung und Hinrichtung mit ihren beiden Kindern völlig mittellos ist. Die Sammelaktion wird denunziert. Im Oktober 1943 werden Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn verhaftet. In der Haft verloben sich die beiden. Im Oktober 1944 verurteilt der Volksgerichtshof Hans Leipelt zum Tode und Marie-Luise Jahn zu zwölf Jahren Zuchthaus. Hans Leipelt, dem in der Haft sein christlicher Glaube Halt und Trost gibt, wird am 29. Januar 1945 in München-Stadelheim enthauptet, Marie-Luise Jahn am 29. April 1945 von amerikanischen Soldaten aus dem Zuchthaus Aichach befreit.

Engagierte Zeitzeugin

Bis kurz vor ihrem Tod am 22. Juni 2010 ist die Zeitzeugin in der Erinnerungsarbeit für Hans Leipelt und die Weiße Rose und im Kampf gegen aktuellen Rechtsextremismus aktiv. Sie spricht als Ehrengast, als die Evangelische Jugend München ihr Freizeitenheim in Grafrath nach Hans Leipelt benennt. Im Innenhof der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte liest sie zum 85. Geburtstag von Hans Leipelt aus ihren Erinnerungen. Über viele Jahre ist sie jeden Sommer als Zeitzeugin bei der Internationalen Jugendbegegnung in Dachau zu Gast und beeindruckt junge Frauen und Männer aus aller Welt.Ihrem Wunsch entsprechend wurde Marie-Luise Schultze-Jahn im Sommer 2010 aufdem Friedhof am Perlacher Forst ganz nah am Grab von Hans Leipelt bestattet.

15.07.2021
Björn Mensing

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