Zum Reformationstag spricht Landesbischof Christian Kopp in Nürnberg über die Bedeutung des Glaubens in Zeiten schnellen Wandels und plädiert für einen Dialog zwischen Religionen und Überzeugungen.
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Gottesdienste
"Christsein heißt, radikal zu lieben"
Zum Reformationstag sprach Landesbischof Christian Kopp beim Festakt des Evangelisch-Lutherischen Dekanates Nürnberg in St. Sebald über die Bedeutung des Glaubens in einer sich schnell wandelnden Welt. Der Festakt schloss das Jubiläumsjahr "500 Jahre Religionsgespräch" in Nürnberg ab.
"Wir verlieren die gemeinsame Sprache für das, was uns heilig ist", sagte der Landesbischof. Der Glaube werde zwar nicht verschwinden, benötige aber neue Ideen und Ausdrucksformen – ähnlich wie vor 500 Jahren.
Reformation sei damals kein Machtakt gewesen, sondern ein Prozess des Zuhörens, Redens und Verstehens, sagte Kopp: "Auch heute braucht unsere Gesellschaft solche Räume, in denen wir miteinander sprechen können: Christinnen und Christen, Muslime, Jüdinnen und Juden, Menschen mit und ohne Religion."
In seiner Rede betonte Kopp, dass Christsein immer bedeute, radikal zu lieben. "Das ist protestantisch. Pro-test heißt ja gerade nicht, man sei gegen etwas, sondern für etwas."
Der Landesbischof bezeichnet den christlichen Glauben als Schatz an Erinnerungen und Erzählungen, die Halt geben, wenn die Welt unübersichtlich wird. Reformation bedeute, immer wieder ins Gespräch zu kommen – auch mit Menschen anderer Glaubensrichtungen. "Wenn wir heute Worte für das finden, was uns heilig ist, dann tun wir das im Dialog mit denen, die anders glauben oder anders hoffen", so Kopp.
"Freiheit durch Zuhören und persönliche Beziehungen"
Diesen Leitgedanken stellte der Regionalbischof von Schwaben und Altbayern, Thomas Prieto Peral, ins Zentrum des Reformationsgottesdiensts in Kempten. In der Multimedia-Gesellschaft seien viele Menschen über alles "informiert, aber oft nicht verbunden", sagte der Theologe am Freitag laut Redemanuskript in der St. Mang-Kirche. Apps und Chats hielten sie "gefangen in einem System ständiger Reaktion". Doch so verlerne der Mensch, zuzuhören: "Er reagiert nur noch - das ist die neue Form von Unfreiheit", so Prieto Peral.
Der Regionalbischof zitierte aus dem fünften Buch Mose im Alten Testament: Die Aufforderung "Höre, Israel" sei die Einladung Gottes, "eine tägliche Neuverbindung mit der Quelle des Lebens" einzugehen. Das Hören werde "zum spirituellen WLAN-Passwort des Glaubens: ein wiederkehrendes Einloggen in die Beziehung mit Gott", führte der Theologe aus. Im Judentum sei das durch "Erinnerungszeichen" wie das Bibelwort am Türrahmen im Alltag integriert. "Jeder Griff an den Türrahmen, jedes Anlegen des Gebetsriemens sagt: Ich bin verbunden. Ich bin nicht allein." Solche Rituale und Symbole seien heute dringend nötig, denn "wer nie innehält, verliert die Verbindung - zu Gott, zu sich, zum Nächsten", schloss der Theologe.
"Fundament des Glaubens trägt auch in Zeiten der Veränderung"
Allen notwendigen Strukturveränderungen zum Trotz muss die Kirche nach Ansicht der Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski ihr Fundament stabil halten. "Denn darauf lässt sich bauen, heute und allezeit", sagte die Theologin am Freitag in ihrer Reformationstagspredigt in der Ansbacher St. Johanniskirche. Der christliche Glaube als Fundament habe "schon Jahrtausende überstanden und bietet immer noch Halt und Stabilität, auch wenn Kirche umgebaut werden muss und morgen anders aussieht als vor 50 oder 100 Jahren".
Veränderungen seien in der Kirche "das neue Normal", denn dies erforderten "die Umstände unserer Zeit", betonte die Regionalbischöfin laut Predigtmanuskript. Man müsse nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass jedes Jahr etwa 45.000 Menschen aus der bayerischen evangelischen Landeskirche austreten. Dadurch sänken die Einnahmen, gleichzeitig schrumpfe der Personalbestand: "Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand." 120 Pfarrpersonen seien dies derzeit pro Jahr, doch es kämen jedes Jahr nur etwa 20 junge Pfarrerinnen und Pfarrer nach.
Auch als kleiner werdende Kirche könne man die Liebe Gottes zu den Menschen bringen - indem man die Beziehungen zu den Menschen pflege, "indem wir da sind, wenn sie uns brauchen", sagte Bornowski: "In Krisensituationen und bei freudigen Anlässen, die auch Raum und Gestaltung brauchen." Dies bedeute zum einen, Menschen christliche Werte weiterzugeben, beispielsweise im Religionsunterricht, in Kitas oder in der Erwachsenenbildung. Zum anderen heiße das aber auch, mit der Diakonie den Schwachen zur Seite zu stehen.
"Religionsunterricht als Hotspot der Kirche"
Für den Regionalbischof in Schwaben-Altbayern, Klaus Stiegler, ist der Religionsunterricht an Schulen die wichtigste Bildungsveranstaltung der Kirche. "Empirische Untersuchungen besagen eindeutig: Kinder lieben den Religionsunterricht", sagte er am Freitagabend bei seiner Kanzelrede in St. Anna in Augsburg bei einem Theologischen Abend zum Reformationsfest laut Mitteilung. Religionsunterricht sei ein wichtiger kirchlicher Ort - "ich riskiere zu sagen: ein kirchlicher Hotspot".
Angesichts des gesellschaftlichen Wandels und sinkender Mitgliedszahlen sei die Kirche aber herausgefordert, neue Wege zu gehen, sagte Stiegler und rief zur Gestaltung des Wandels im reformatorischen Sinne auf: "Ich verspüre keine Energie, Abschiedsschmerz zu pflegen, sondern ich habe große Lust darauf, Kirche neu zu erfinden." Der notwendige Umbau des Religionsunterrichts müsse mit Entschlossenheit angepackt werden, um die Relevanz der Kirche im 21. Jahrhundert zu sichern.
Der konfessionsübergreifende Religionsunterricht an bayerischen Grund- und Mittelschulen ist seit diesem Schuljahr nach einer fünfjährigen Projektphase dauerhaft etabliert. Regelfall bleibt aber der klassische konfessionelle Religionsunterricht.
21.10.2025
ELKB,epd