Pressemitteilung vom 26.05.2021

Kirchenleitung entschuldigt sich für kritiklosen Umgang mit Pädophilie-Professor Helmut Kentler

Der Landeskirchenrat und der Landessynodalausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bedauern zutiefst ihren kritiklosen Umgang mit Helmut Kentler (1928-2008) in der Vergangenheit

Kentler war von 1962 bis 1965 pädagogischer Referent des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal e.V. Er hat sich nicht nur für eine Enttabuisierung von Homosexualität und Sexualität eingesetzt, sondern war auch bestrebt, Pädosexualität zu legalisieren. Ende der 60er Jahre kam es infolge des „Kentler-Experiments“ in Berlin zu staatlich legitimiertem schweren sexuellen Missbrauch.

 

In ihrer Stellungnahme zeigen sich beide Organe der Kirchenleitung „bestürzt, dass weder das entsprechende Problembewusstsein noch die notwendige Sensibilität vorhanden waren, seinem kinderverachtenden Interesse entschieden zu widersprechen. Selbst als Kentlers Verteidigung der Pädophilie öffentlich kritisiert wurde, haben wir als evangelische Kirche versäumt, uns öffentlich von ihm und seiner Haltung zu distanzieren – wir haben es auch nicht getan, als 2010 im Rahmen einer Eingabe an die Landessynode die ausdrückliche Möglichkeit dazu bestanden hätte. Dafür bitten wir heute um Entschuldigung.“

 

Der Vorstand des Studienzentrums Josefstal hat eine Erklärung zum Verhältnis zu Helmut Kentler veröffentlicht (https://josefstal.de/stellungnahme-zu-helmut-kentler/), das die Kirchenleitung begrüßt und unterstützt. Darin heißt es: „Kentler verstand es auf perfide Weise, die richtige Idee von der Rolle von Jugendarbeit zur Emanzipation und zur Subjektwerdung von Kindern und Jugendlichen mit seiner Verteidigung der Pädophilie zu verbinden. Er machte damit eine pädagogische Theorie zu einem Vehikel der Unterdrückung und des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Wir treten dieser Verknüpfung entschieden entgegen und sind bestürzt, dass auch das Studienzentrum einen Resonanzboden dafür geboten hat.“

 

„Stellungnahme des Landeskirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu Helmut Kentler

Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern begrüßt und unterstützt die Stellungnahme des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal e.V. zu seiner Beziehung zu Helmut Kentler.

 

Der Landeskirchenrat nimmt diese Initiative zum Anlass, selbst Stellung zu Helmut Kentler und seinen Bezügen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu beziehen.

 

Helmut Kentler (1928-2008) war von 1962 bis 1965 pädagogischer Referent des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit in Josefstal e.V. Nach seinem Ausscheiden hatte er dort bis ins Jahr 2001 immer wieder als Gastreferent bei Symposien und Fachgesprächen sowie als pädagogischer Berater bei Familienfreizeiten mitgewirkt. Darüber hinaus trat er in Veranstaltungen der Evangelischen Akademie in Tutzing sowie auf mehreren evangelischen Kirchentagen auf.

Kentler hat sich stark für eine Enttabuisierung von Homosexualität und von Sexualität eingesetzt. Verknüpft mit seinem pädagogischen Ansatz einer emanzipatorischen Jugendarbeit fand er im Bereich der evangelischen Jugendarbeit und der evangelischen Kirche große Aufmerksamkeit und Unterstützung. Er publizierte in theologischen und kirchlichen Zeitschriften und beeinflusste kirchenpolitische Diskussionen.

 

Bereits Ende der 60er Jahre begann Helmut Kentler im Rahmen seiner Tätigkeit in Berlin, Jungen in die Obhut von Päderasten zu geben. Später wurde dies von Berliner Jugendämtern im Rahmen eines von Kentler angestoßenen und begleiteten Experiments von öffentlicher Seite unterstützt. In mehreren seiner Schriften finden sich zudem Aussagen, die Kentlers Anerkennung von Pädophilie und das Bestreben, Pädosexualität zu legalisieren, deutlich machen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben inzwischen nicht nur Kentlers Haltung, sondern auch die Tatsache, dass es im Rahmen des „Kentler-Experiments“ zu schwerem sexuellen Kindesmissbrauch kam, bestätigt. Das Land Berlin hat infolgedessen im April 2021 das Leid zweier Betroffener anerkannt und sich zu finanziellen Leistungen bereit erklärt.

 

Es beschämt uns, wie Helmut Kentler die Offenheit der evangelischen Kirche für eine aufgeklärte und emanzipierte Haltung gegenüber Sexualität genutzt und sie gleichzeitig durch seinen Einsatz für Pädophilie pervertiert hat. Wir sind bestürzt, dass weder das entsprechende Problembewusstsein noch die notwendige Sensibilität vorhanden waren, seinem kinderverachtenden Interesse entschieden zu widersprechen.

 

Selbst als Kentlers Verteidigung der Pädophilie öffentlich kritisiert wurde, haben wir als evangelische Kirche versäumt, uns öffentlich von ihm und seiner Haltung zu distanzieren – wir haben es auch nicht getan, als 2010 im Rahmen einer Eingabe an die Landessynode die ausdrückliche Möglichkeit dazu bestanden hätte. Dafür bitten wir heute um Entschuldigung.

 

Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern verurteilt jede Form von sexualisierter Gewalt. Um sexualisierte Gewalt in der Kirche in Zukunft umfassend zu verhindern, ist es notwendig, Räume und Strukturen, die ihr Vorkommen in der Vergangenheit ermöglicht oder gar begünstigt haben, aufzudecken und zu verändern.

Der Landeskirchenrat unterstützt die Aufarbeitung des Verhältnisses der evangelisch-lutherischen Kirche zu Helmut Kentler deshalb mit folgenden Schritten:

 

  • Wir schließen uns dem Aufruf des Studienzentrums für evangelische Jugendarbeit an: sollte es Betroffene von sexualisierter Gewalt oder anderer Missbrauchsformen durch Helmut Kentler im Bereich des Studienzentrums Josefstal oder einer anderen kirchlichen Einrichtung im Bereich der ELKB geben, bitten wir diese, sich an die Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu wenden. (Landeskirchenamt, Katharina-von-Bora-Straße 7-13, 80333 München, Tel: 089/5595-335, Mail: AnsprechstelleSG@elkb.de).
  • Wir werden uns aktiv an der Aufarbeitung des Studienzentrums Josefstal zu Kentlers Einfluss auf die Theorie evangelischer Jugendarbeit beteiligen.
  • Wir werden aktiv die Aufarbeitung der unkritischen Aufnahme von Kentlers Theorien und Haltungen zu Sexualität und Jugendarbeit im Bereich der ELKB und der EKD und den Gründen, weshalb dem nicht früher und lauter widersprochen wurde, anstoßen und unterstützen.


Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern am 18.05.2021.“

 

Der Landessynodalausschuss der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hat sich in seiner Sitzung am 21.05.2021 einstimmig dieser Stellungnahme des Landeskirchenrats angeschlossen.

 

Hinweis:

Für Rückfragen steht zur Verfügung:

Roger Schmidt

Leiter des Studienzentrums

+49 (0)8026 9756 – 0

roger.schmidt@josefstal.de

26.05.2021
München, Johannes Minkus, Pressesprecher

Mehr zum Thema

weitere Informationen zum Artikel als Downloads oder Links