Friedensgebet in Schweinfurt St. Johannis

Etwa zweihundert Menschen versammelten sich in der St. Johanniskirche, um gemeinsam für den Frieden zu beten, während draußen Parolen skandiert wurden.

Bild: G. Bruckmann

Friedensgebete in Schweinfurt

"Kirche muss sich dazu äußern!"

Während am vergangenen Sonntag rund 1.000 Gegnerinnen und Gegner der Corona-Maßnahmen lautstark am Schweinfurter Marktplatz protestierten, fand in der St.Johanniskirche eine ganz andere Versammlung statt: Etwa 200 Menschen beteten gemeinsam um Frieden.

Eingeladen dazu hatte der Schweinfurter Dekan Oliver Bruckmann. Der Gottesdienst sollte ein Zeichen sein - ebenso wie die „Schweinfurter Erklärung für Demokratie und Zusammenhalt“, zu deren  Erstunterzeichnern der Dekan sowie zahlreiche haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende des Dekanats und  der Kirchengemeinden zählten. " Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, das eine wesentliche Voraussetzung für unsere demokratische Grundordnung ist. Wer allerdings Versammlungen ohne rechtliche Grundlage und ohne Verantwortliche Woche für Woche organisiert, tritt dieses Grundrecht mit Füßen. Die Parolen einer lautstarken Minderheit, dass der Staat wie eine Diktatur handelt, sind absurd und verhöhnen alle Opfer von Diktaturen, in der Vergangenheit und heute", heißt es darin.

Bayern-evangelisch.de befragte Dekan  Oliver Bruckmann zur Entstehung der Friedensgebete, sowie seinen Hoffnungen und Befürchtungen für die Entwicklung in Schweinfurt.

Wann haben Sie sich dazu entschieden, parallel zu den Corona-Demonstrationen Friedensgebete zu veranstalten? 

Dekan Bruckmann: Als sich für uns zeigte, dass die „Spaziergänge“ in Schweinfurt keine einmaligen Ereignisse sein würden, sondern bis nach Thüringen und jetzt Nürnberg Magnetwirkung haben würden, kam die Überlegung auf, was wir als Kirche dagegensetzen und wie wir uns positionieren sollten. Die Form des Friedensgebets kam dann letztlich angesichts der Parolen, welche die Demonstranten auf den Straßen skandierten.

Was treibt Sie an?  

Dekan Bruckmann: Schweinfurt war mit diesen „Spaziergängen“, bei denen sich friedliche und militante Menschen und Gruppen mischten, plötzlich in den bundesweiten Schlagzeilen. Zwei- oder dreimal haben wir das mit angesehen und vor allem auch gehört, wir wohnen selbst mitten in der Stadt. Die skandierten, gebrüllten  Parolen haben mich sehr nachdenklich gemacht. Menschen haben 1989 in friedlicher Absicht auf den Montagsdemonstrationen „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ gerufen. Sie haben sich damit großer Gefahr ausgesetzt und einem diktatorischen System ausgesetzt. Dies alles jetzt im Kontext von Coronamaßnahmen zu kopieren ist eine Verachtung der damaligen Demonstranten und keinerlei angemessene und hilfreiche Reaktion auf unsere derzeitige Not mit dem Coronavirus. Das war letztlich der Antreiber für das Friedensgebet in Schweinfurt. Kirche muss sich dazu äußern und kann nicht einfach zusehen und schweigen. Das haben übrigens auch mehrere gesagt: „Kommt von den Kirchen was?“

"Wir wollen nicht Fronten verhärten. Wie realistisch das ist, weiß ich im Moment nicht. Aber es geht gerade auch darum, die schwankenden und nicht radikalisierten Menschen im Gespräch zu halten, sie nicht abzuschreiben und sie für einen vernünftigen Dialog offen zu halten."

Dekan Oliver Bruckmann

Wie war die Reaktion in der Schweinfurter Bevölkerung? Gab es auch Kritik? 

Dekan Bruckmann: Es gab viel Zustimmung. Die Kirche war am Sonntag voll. Auch Politiker und Politikerinnen, die an der Schweinfurter Erklärung gearbeitet hatten, waren da.

Kritik gab es selbstverständlich auch, von rechtsradikaler Tönung wie auch von christlich fundamentalistischer Seite. Manche finde ich ärgerlich, aber es macht eben auch deutlich, mit welchen Motivationen wir es da eigentlich zu tun haben.

Sie wollen die Friedengebete fortsetzen. Befürchten Sie zukünftige Anfeindungen?  

Dekan Bruckmann: Wir haben uns unter spürbarer Betriligung aus dem Dekanat entschlossen, das Friedensgebet fortzusetzen, solange die anfeindenden Stimmen auf den Schweinfurter Straßen nicht nachlassen. Dann sehen wir weiter. Anfeindungen wird es geben, aber wir wollen auch auf die Gruppen zugehen und sind offen für ein Gespräch. Bisher habe ich auf jede Mail geantwortet, um zu zeigen, dass wir die Menschen ernstnehmen, auch wenn wir selbst eine ganz andere Botschaft haben. Das Doppelgebot der Liebe hält in sich diese Spannung aus.

Manche Demonstranten haben in Messengerdiensten offen zu Gewalt gegen Polizisten aufgefordert. Verändert das die Stimmung in der Stadt? In der Kirchengemeinde?  

Dekan Bruckmann: Es wirkt bedrohlich und manches auch beängstigend. Sechs Demonstranten wurden bei der Demonstration am Montag Messer abgenommen. In Telegramm bzw. anderen Diensten war offenbar zu Angriffen auf die Polizei aufgerufen worden. Wir sehen dagegen im Vordergrund, dass staatliche Entscheidungen, Verfügungen und Maßnahmen - auch angesichts der Fehler, die da eben auch gemacht werden - Menschen in dieser Gesellschaft schützen wollen. Dem wollen wir uns unterstützend zur Seite stellen. Neben dem Friedensgebet könnte es deshalb auch noch Impfangebote in der St.Johanniskirche geben.

Sie haben auch als Ziel genannt, ins Gespräch mit den Demonstranten zu kommen. Wo sehen Sie dafür Ansätze?  

Dekan Bruckmann: Wie gesagt: Derzeit schaffe ich es noch, auf jede Nachricht einzugehen und zu antworten. Wir wollen nicht Fronten verhärten. Wie realistisch das ist, weiß ich im Moment nicht. Aber es geht gerade auch darum, die schwankenden und nicht radikalisierten Menschen im Gespräch zu halten, sie nicht abzuschreiben und sie für einen vernünftigen Dialog offen zu halten. Unser Bildungswerk wird hier auch aktiv. 

Welche Situation muss eintreten, damit Sie sagen: Jetzt können wir die Friedensgebete wieder einstellen? 

Dekan Bruckmann: Das warten wir jetzt mal ab. Die Schärfe, die sich in Schweinfurt derzeit (exemplarisch?) zeigt, soll wieder zur Ruhe kommen. Sie ist beängstigend. Ein Würzburger Experte hat neulich nicht ausgeschlossen, dass sich diese gesellschaftliche Gewaltszenen auch terroristisch auswachsen und entwickeln könnte. Kirche muss hörbar bleiben und ihre Stimme erheben.

Wenn wir in absehbarer Zeit also die Friedensgebete wieder einstellen, bleibt die gesellschaftliche Aufgabe, vernünftige Wege zu finden, auf denen wir bestehende oder kommende Herausforderungen im Dialog, in demokratischem Ringen der Meinungen, in einem integrativen Gesprächsstil der Anerkennung und in Frieden bearbeiten und lösen können. Vermutlich ist die Pandemie hier nur ein Beispiel.

04.01.2022
ELKB

Mehr zum Thema

weitere Informationen zum Artikel als Downloads oder Links