Pressekonferenz in Weiden in der Oberpfalz.

Pressekonferenz in Weiden in der Oberpfalz.

Bild: ELKB

Selbsthilfegruppen-Netzwerk

„Die Kraft liegt im Austausch!“

Landesbischof gibt Startschuss zum Aufbau eines bayerischen Selbsthilfegruppen-Netzwerks für Trauernde von an Corona verstorbenen Angehörigen.

„Die Kraft liegt im Austausch, und Heilung liegt in der Begegnung mit Menschen.“ Mit diesen Worten hat der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am heutigen Dienstag in Weiden den Startschuss zu einem bayernweiten Netzwerk von Selbsthilfegruppen für Corona-Trauernde gegeben. Trauernde, die einen Angehörigen an Covid-19 verloren haben, hätten besonders hart zu tragen. Die Kirche mit ihren vielen seelsorgerlichen Angeboten widme sich bereits den Betroffenen. Selbsthilfegruppen seien eine zusätzliche, besonders hilfreiche Form, mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal erleiden, gemeinsam durch die Trauer zu gehen. Sie würden etwas vom Geist Jesu sichtbar werden lassen: „Einer trage des anderen Last.“ (Galater 6,2).

„Die Situation trauernder Angehöriger geht mir seit Beginn der Pandemie sehr nahe“, sagte Bedford-Strohm. Selbsthilfegruppen böten eine hilfreiche Möglichkeit, mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, gemeinsam durch die Trauer zu gehen. „Heute soll der Beginn sein für die Entwicklung des bayernweiten Selbsthilfegruppen-Netzwerks von Angehörigen. Ein Netzwerk, das die evangelische Kirche mit anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen, mit kirchlichen und diakonischen Akteuren knüpft“, sagte Bedford-Strohm. Über diese Kooperation sei er auch mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Gespräch, der das Vorhaben ausdrücklich unterstütze.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) kooperiere künftig mit der „Selbsthilfekoordination Bayern“ („SeKo“). Die SeKo ist eine landesweite Netzwerkstelle und Geschäftsstelle des Vereins Selbsthilfekontaktstellen e.V. „Ziel ist es, Selbsthilfe und Selbstorganisation im Sozial-und Gesundheitsbereich zu stärken“, erklärte die stellvertretende Geschäftsführerin der SeKo, Irena Težak. Der Geschäftsführer des Selbsthilfezentrums München und Vorstand des Vereins Selbsthilfekontaktstellen Bayern e.V., Klaus Grothe-Bortlik, fügte hinzu: „Selbsthilfegruppen verstehen wir als Ergänzung bestehender Angebote, nicht als Konkurrenz.“

Das „flächendeckende Netzwerk der Kirche aus Kirchengemeinden, Diensten und Werken“ solle für trauernde Angehörige, die etwa geschützte Räume für ihre Treffen benötigten, in Kooperation mit der SeKo weiter geöffnet werden, fügte Landesbischof Bedford-Strohm hinzu. Künftig könnten sich an einer Selbsthilfegruppe Interessierte direkt an eine der 34 Selbsthilfekontaktstellen in ihrer Nähe oder an die SeKo wenden. Dort würden Menschen in den Regionen in Kontakt gebracht und auf Wunsch bei Gründungen vor Ort unterstützt.

In Weiden funktioniere die Zusammenarbeit von Kirche und SeKo bereits bespielhaft, so der Landesbischof. Die Diakonie Weiden agiert als Trägerin der „Selbsthilfekontaktstelle Nordoberpfalz“ („SeKo-Nopf“). Am 4. August wird hier zur Gründung einer Selbsthilfegruppe trauernder Angehöriger von an Covid-19-Verstorbenen eingeladen.

Die Leiterin der SeKo-Nopf, Ramona Kriegler, wandte sich mit einem Aufruf direkt an trauernde Angehörige in der nördlichen Oberpfalz, die „nach Austausch mit Menschen suchen, die das gleiche Schicksal erfahren haben. Melden Sie sich bei uns!“

„Die Corona-Pandemie hat die Landkreise Tirschenreuth, Neustadt/Waldnaab und die Stadt Weiden zu Hot-Spots werden lassen. Haupt- und Ehrenamtliche sind in dieser Zeit an ihre persönlichen Grenzen gegangen und manchmal auch darüber hinaus“, berichtete Dekan Thomas Guba. „Jeder Mensch verarbeitete diese Zeit anders“, so der Dekan weiter. „Als Kirche und Diakonie ist es unsere Aufgabe, Menschen zu helfen und einen Rahmen zu schaffen, dass sich Menschen austauschen können und wieder zueinander finden: sich treffen, miteinander reden und Menschen begegnen ist enorm wichtig. Neben Selbsthilfegruppen wollen wir vor Ort aber auch noch durch andere Aktionen und Impulse zum Umgang und Nachdenken mit der Pandemie einladen.“

Bei dem Pressegespräch verliehen zwei Angehörige dem Selbsthilfegruppen-Anliegen besondere Wichtigkeit: Antonia Palmer (22) verlor im Januar ihren Vater an Covid-19. Die Würzburger Studentin gründete daraufhin die bundesweit erste Online-Selbsthilfegruppe. „Dadurch wollte ich den Verlust realisieren und die Trauer irgendwie verarbeiten, als eine Angehörige von mittlerweile über 91.000 an Covid-19 Verstobenen“, sagte Palmer. Auch könne man so gemeinsam Vorwürfen von Corona-Leugnern entgegentreten, die Angehörigen teilweise haltlose Argumente entgegenbringen. Die Passauerin Anita Schedel trauert um ihren an Covid-19 gestorbenen Mann, der als Professor und Arzt eine Klinik leitete. Sie wird nun eine Corona-Selbsthilfegruppe in München gründen. „Ich bin überzeugt und weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es tut, sich mit Leidensgenossen austauschen zu können. Das ähnliche Schicksal verbindet nicht nur, man versteht und fühlt sich verstanden, erst recht, wenn für die Welt um einen herum Corona nur Zahlen und Inzidenzen sind und immer mehr zur Normalität verkommt.“

Hinweis:
Kontakte zu allen 34 regionalen Anlaufstellen der SeKo finden Sie hier:
Bayerische Selbsthilfekontaktstellen

Die Telefonnummer der zentralen Seko lautet: 0931-20781642
www.seko-bayern.de

Diakonisches Werk Weiden e.V.
Selbsthilfekontaktstelle
Tel. 0961 38931-63
www.diakonieweiden.de/seko

28.07.2021
ELKB

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