Die Schwanbergpfarrerin Dr. Thea Vogt über das Gebet im Gehen.

Spiritualität

Gott suchen in allen Dingen

Was kann ich der zunehmenden Beschleunigung meines Lebens entgegensetzen?

Wie gewinne ich in der permanenten Beanspruchung durch meine täglichen Verpflichtungen Freiräume für mich? Was kann ich tun, dass ich nicht nur gelebt werde, sondern meine eigenen Takt finde?

Viele Menschen sind unzufrieden mit der Geschwindigkeit, mit der sie durchs Leben hetzen. Sie fühlen sich zu immer noch größerer Schnelligkeit getrieben, suchen nach Atempausen und Kraftquellen für ihre Alltag. Christliche Spiritualität ist ein Weg, dem Leben mehr Tiefe zu geben; sie regt zu einer bewussten Gestaltung von Beziehung an – der Beziehung zu sich selbst und zu Gott.

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang.   

Luther

Spiritualität ist gelebte Suche nach Gott, nach religiöser Lebensdeutung und Lebensbewältigung. Und sie ist zugleich ein Gegentrend zur permanenten Beschleunigung unseres Alltags.

Die bewusste Auseinandersetzung mit sich und seinem Glauben und die bewusste Pflege der persönlichen Beziehung zu Gott haben sich gerade in den vergangenen Jahren zu einem Megatrend entwickelt. Es ist fast schon en vogue, sich selber als religiös zu bezeichnen.

Während der Begriff „Spiritualität“ gesellschaftlich sehr weit gefasst und oft auf eine allgemein religiöse Suchbewegung bezogen wird, drückt er im Christentum christliche Frömmigkeitspraxis und Lebensstil aus:

von dem Gute-Nacht-Gebet über das Bibelstudium am Morgen, vom Pilgerweg über die angeleitete Meditation, von der Zwiesprache mit Gott auf dem Spaziergang über kurze Momente des Innehaltens im Alltag. Spiritualität ist die Haltung, mit der allein oder in Gemeinschaft mit anderen die Nähe Gottes gesucht und die Gemeinschaft Jesu Christi erfahren wird.

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Grundelemente christlicher Spiritualität

Menschen sehnen sich nach dem Ausbau ihrer Achtsamkeit, der Schärfung ihres (sinnlichen) Bewusstseins, der Ankunft bei sich selbst, die keiner Betroffenheit entspringt, sondern eher als neu definierte Lebensfreude verstanden werden kann. Das in Heidelberg ansässige „Instituts für Trend- und Zukunftsforschung“ (ITZ) bescheinigt der Kirche längst eine Etablierung „von der Amtskirche zur spirituellen Erlebnisgesellschaft“. Ja, es befürchtet sogar, dass „Religion ihre archaische Verwurzelung in der Kirche und im Glauben abwirft“ und „als spiritueller Erlebnismarkt wiedergeboren wird“.

Doch christliche Spiritualität ist nicht mit einer zunehmend esoterischen Hysterie gleichzusetzen. Sie orientiert sich ganz bewusst an den Grundfesten des christlichen Glaubens. Folgende Elemente christlicher Spiritualität orientieren sich an einem Dokument, das das Netzwerk christlicher Spiritualität 2011 in Berlin zusammengestellt hat:

Elemente christlicher Spiritualität

Glauben kann man nicht, ohne Gott zu lieben. Christliche Spiritualität ist die persönliche Begegnung mit dem lebendigen Gott. Bei aller Erfahrung der Einheit bleibt doch immer Gott ein Gegenüber, das den Menschen anspricht und auf das dieser antwortet.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

In Jesus Christus hat Gott uns Menschen sein eigenes Antlitz zugewandt. Christliche Spiritualität wird Gott darum in diesem Antlitz Christi, in der Person des Jesus von Nazareth, suchen und finden. Christliche Spiritualität wird deshalb auch immer auf den Weg der Nachfolge weisen.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

Christliche Spiritualität orientiert sich an der Bibel. Wer Gott ist und was unsere spirituellen Erfahrungen bedeuten, wissen wir durch das Zeugnis der biblischen Schriften. Dass Gott sich an sein Volk Israel und an seine Kirche gebunden hat und dass seine Liebe seine ganze Welt umfasst, erfahre ich nicht in der Versenkung in mich selbst. Ich erfahre es nur im Hören auf das Zeugnis der Bibel.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

 

Christliche Spiritualität dankt Gott für die Gnade, die er uns durch das Leben, das Leiden und die Auferstehung Jesu von Nazareth eröffnet hat. Darum ist sie kein Leistungs- und auch kein Erlösungsweg. Als Übungsweg fördert sie die Liebe zu und die Hingabe an Gott. Übungsziel ist nicht die Vervollkommnung eines Bewusstseinszustandes, sondern das Verweilen in der Gegenwart Gottes.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

 

Christliche Spiritualität weiß sich verwurzelt in der Gemeinschaft der Christen, die gemeinsam auf Gott hören und einander dabei begleiten. Einsames Beten, Hören und Schweigen verweist immer auf die Gemeinschaft der Glaubenden.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

 

Gott ruft uns mit unserer natürlichen Sehnsucht hinein in seine große Geschichte mit der Welt. Deswegen setzt christliche Spiritualität immer wieder biografisch bei dieser Sehnsucht ein. Die Erfüllung dieser Sehnsucht wird immer wieder Gegenstand christlicher Hoffnung sein, nicht aber deren angestrebtes unmittelbares Ziel und nicht deren Begründung.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

Von ihrer innersten Ausrichtung als Zuwendung zu Gott weist uns christliche Spiritualität dorthin, wo Gott gewiss und immer zu finden ist: zu den Armen und zu Gottes geschundener Welt. Von ihrem innersten Anliegen her ist christliche Spiritualität immer auch diakonisch und damit auch politisch.

(aus: Spurgruppe Netzwerk christliche Spiritualität, Berlin 20. Oktober 2011. Info im Internet: www.netzwerk-christliche-spiritualitaet.net)

22.12.2020
Anne Lüters

Evangelische Kirche bietet vielfältige spirituelle Formen und Zugänge zum Glauben, ihn zu entdecken, (wieder) kennenzulernen, zu festigen oder neu in Frage zu stellen. Und wann starten Sie die nächste Glaubensreise?

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